Biografie
Wilhelm Kohlhoff (Maler, 1893-1971)
Wilhelm Kohlhoff wurde am 6. Mai 1893 in Berlin geboren und studierte an der Berliner Porzellanmanufaktur ab 1909. In seinen frühen Werken spürt man, wie sehr sich die beiden herrschenden Stilrichtungen, Impressionismus und Expressionismus, in seinem Werk berühren – sie vermochten sich durchaus zu einer Synthese zu durchdringen, die sein Schaffen besonders seit der Mitte der zwanziger Jahre kennzeichnet. Seine Pinselführung weist in dieser frühen Zeit eine kurvende Form und eine bemerkenswerte Unruhe auf, die Palette ist noch hell und von noblem Charakter. Ungeachtet der folgenden Entwicklungsphase manifestiert sich in solchen frühen Werken nach der Wende zum zweiten Jahrzehnt des Jahrhunderts ein Hauptelement der Kohlhoffschen Konzeption: seine immense visuelle Begabung und eine beachtliche Fähigkeit, das optisch Wahrgenommene in die ihm eigentümliche Bildform umzuschmelzen.
Der Erste Weltkrieg brachte eine stilistische Zäsur und einen Wandel im Schaffen Wilhelm Kohlhoffs. Er wandte sich einer kubistischen Auffassung zu, die eine ungemeine Bereicherung seines Ausdrucksbildes bedeuten sollte. Nun vollzog sich eine Steigerung des formalen Befundes in die Ebene subjektiven Erlebens hinein – ohne Zweifel haben die Schrecknisse des 1. Weltkrieges Kohlhoffs Hang zur inneren Vision verstärkt. Wie bei Max Beckmann steigerte das Kriegserlebnis den Prozess der inneren Reife. Zu den Leitbildern jener Jahre gehörte neben dem Spätwerk Lovis Corinths, der damals in den Mittelpunkt des allgemeinen Interesses gerückte "neuentdeckte" Isenheimer Altar sowie der Ausdruck des Glaubens bei El Greco. Dies waren seine eigentlichen Sturm- und Drang-Jahre. Richard Bie schrieb im Jahre 1930: "So ist der Maler Kohlhoff besessen und begierig auf die Farbe als Ausdruck des Lebensimpulses, da wo er unter einem gefährlichen und gewitterhaften Druck steht. Die Erscheinung bekommt dadurch eine gewisse bedrohliche Gespenstigkeit. Hier sind auch Züge von Edvard Munch spürbar. Dieser atmosphärische Druck, diese erdhafte Spannung steht haarscharf zwischen Leben und Tod, zwischen Seligkeit und Verhängnis."
Das Besondere in diesen frühen Werken ist eine Synthese von impressionistischer Thematik in den Blumenstilleben, Portraits und Landschaften (die sich auch dem Inhalt nach jener Stilform verwandt zeigen) und der durchaus nicht impressionistischen Maltechnik, die einen Funken von Magie und einen eigenartigen Appell auf den Betrachter überträgt. Hierin liegt vielleicht ein Grund dafür, dass diese beiden Richtungen zu der gleichen Zeit nebeneinander mit ungeschwächter Kraft fortbestehen konnten, ohne sich ganz abzulösen. Weit davon entfernt, sich gegenseitig zu verdrängen, ergänzt die eine vielmehr die andere. Gerade der Expressionismus würde nur zu leicht in Formalismus erstarren, fände er nicht in der impressionistischen Anschauung der Wirklichkeit eine stete Verjüngungsquelle. Die Pinselführung ist in jener Zeit voller Kraft und Nachdruck, und seine furiose Maltechnik bewährte sich besonders in den Partien des Inkarnates. Unter dem Einfluß der Anschauung Grünewalds und El Grecos entstehen in jener Zeit Madonnenbilder, und solche Kompositionen werden dem Madonnenthema voll und ganz gerecht und haben nichts Genrehaftes an sich.
Kohlhoff gehörte in den zwanziger Jahren zu den bekanntesten Künstlern der Hauptstadt. In den Ausstellungskatalogen der Berliner Sezession begegnet man seinem Namen neben denjenigen anderer bedeutender Künstler der fruchtbaren Epoche. Es hat ihm an Erfolgen nicht gefehlt. Im Jahr 1917 wurde ihm der Große Preußische Staatspreis zuerkannt. Gemeinsam mit seinem engen Freund Bruno Krauskopf erhielt er 1919 eine Sonderausstellung in der Kestner-Gesellschaft. Damit fing jene Dioskurenfunktion an, die die beiden Künstler während der zwanziger Jahre nicht nur in den Kunstkritiken, sondern ebenso im Bewusstsein der kunstinteressierten Öffentlichkeit miteinander verband. "Kohlhoff und Krauskopf" – das war im Berlin der zwanziger Jahre eine Art von Firmen- und Gütemarke. So heißt es 1919 in der Zeitschrift "Das Kunstblatt": Vertreter einer solchen, vorwiegend formalistisch gerichteten Ausdruckskunst sind die beiden jungen Maler Wilhelm Kohlhoff und Bruno Krauskopf. Beide haben jahrelang in Berlin im gleichen Atelier gemalt und in der gleichen Atmosphäre, im Bannkreis der gleichen künstlerischen Ideenwelt sich entwickelt." (Erich Madsack)
Die Jahre von 1920 bis zum Ausklang des Jahrzehnts waren die erste große Epoche im Schaffen Wilhelm Kohlhoffs. In Bad Saarow/Scharmützelsee bei Fürstenwalde errichtete er 1919 ein Haus. Hier bildete sich eine kleine Künstlerkolonie. Kohlhoff unternahm in dieser Zeit seine ersten ausgedehnten Studienreisen nach Südfrankreich und Italien – zwei Länder, die gegen Ende der "goldenen Zwanziger" und erneut in der Mitte der sechziger Jahre Kohlhoffs Stil in entscheidender Weise beeinflussen sollten. Die Werke dieser Epoche beweisen einen gepflegten malerischen Stil. Der Einfluß des Expressionismus trat schrittweise zurück; hier machen sich typische Pariser Anklänge geltend, die auf seine Frankreichreisen zurückzuführen sind.
Wilhelm Kohlhoff hat in besonderer Weise die Förderung der Preußischen Akademie der Künste erfahren. Man liest seinen Namen häufig in den Ausstellungskatalogen schon vor der Mitte der zwanziger Jahre, und seine Arbeiten hingen in denselben Räumen wie diejenigen der Kollwitz, Kokoschkas, Hofers, Grosz’, Dix’, Beckmanns und Tapperts. Seine Bilder zeichnen sich in dieser Epoche durch vehemente Pinselführung und einen dynamischen Schwung voller Kraft und Verve aus, doch wählte er keinesfalls den Weg der materiellen Entstofflichung. Die von ihm erfassten ,Objekte’ bleiben stets greifbar und sind in motivlicher Hinsicht ihrer Umwelt eingebunden. In Kohlhoffs Bildern schäumt es von Esprit, Erregung und Rhythmus, und je weiter die Entwicklung fortschreitet, desto lichter wird seine Palette. Kohlhoffs Kunst ist elementar, voller Dynamik und Intensität, wobei seinen Werken über das Reale hinaus stets ein Schimmer an Transzendenz anhaftet.
Der Beginn der NS-Kunstdiktatur brachte Wilhelm Kohlhoff wie vielen anderen Kollegen Verfemung und die Ächtung als "entarteter" Künstler. Acht seiner Arbeiten wurden aus deutschen Museen entfernt, darunter sein "Selbstbildnis" aus der Berliner Nationalgalerie, das in der Schweiz gegen Devisen versteigert wurde und nach Amerika ging. Im Gegensatz zu Bruno Krauskopf harrte er in Deutschland aus. Eine endgültige Übersiedlung in die Türkei war misslungen. Aus pekuniären Gründen musste er sich darauf verlegen, Aufträge für Wandmalereien und Fresken in Kasinos auszuführen. Auf diesem Gebiet der Wandmalerei hatte Kohlhoff viele Jahre später in seiner fränkischen Wahlheimat Gelegenheit, mit dem bekanntgewordenen Fresko "Der Amtsschimmel" (1960) im Rathaus von Hof seine Arbeit fortzusetzen. Hier lebte er seit 1949, und die Stadtverwaltung veranstaltete 1963 eine Gesamtausstellung seines Werkes, soweit es die Wirren der Kriegszeit überstanden hatte. Es folgten weitere Ausstellungen, und in der Mitte der sechziger Jahre begann der Künstler, das Fortissimo in seinen Werken mit voller Kraft anzuschlagen. Ab 1955 unternahm er jährlich zwei Studienreisen, die ihn zumeist in die Schweiz und nach Italien führten.
Am 9. Juli 1971 starb er. An seinem Grabe sprach Konrad Kaiser die menschlich würdigenden Worte:
"Wilhelm Kohlhoff hatte eine keusche Scheu vor eitler Selbstbespiegelung, eine angeborene Scham vor der Verlockung, mehr zu scheinen als zu sein. Er war ein guter Mensch, weil keine auch noch so böse Erfahrung ihn verbitterte, die Welt schwarz zu sehen."